BayVGH schließt Anerkennungsfähigkeit von EU-Fahrerlaubnissen, die nach dem 18.01.2009 ausgestellt wurden, nicht aus, wenn sich weder aus dem Führerschein selbst, noch aus unbestreitbaren Informationen des Ausstellerstaates ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip feststellen lässt.


Wer sich mit der Thematik des EU-Führerscheinrechts intensiver befasst, kennt die restriktive Ansicht des BayVGH zur 3. Führerscheinrichtlinie und somit zum Erwerb einer Fahrerlaubnis im EU Ausland nach dem 18.01.2009.
Interessant ist daher ein neuer Beschluss des VGH vom 19.07.2010, der im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ergangen ist.

Nach Auffassung des VGH ist § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 der Fahrerlaubnisverordnung unter Geltung des 3. Führerscheinrichtlinie uneingeschränkt als europarechtskonform anzusehen. Die Rechtsprechung des EuGH zu den Fällen des Erwerbs einer EU-Fahrerlaubnis nach Ablauf einer Sperrfrist sei auf Führerscheine die nach dem 18.01.2009 erworben werden nicht mehr anwendbar. Gleiches soll in Fällen gelten, in denen der Führerscheininhaber auf seine deutsche Fahrerlaubnis verzichtet hat.


Aktuell hatte der VGH im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren gegen die Aberkennung des Rechts von einer polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen zu entscheiden.

Dem Kläger hatte die Fahrerlaubnisbehörde untersagt, von seiner im April 2009 in Polen erworbenen Fahrerlaubnis mit polnischem Wohnsitz in Deutschland Gebrauch zu machen und in den Führerscheineinen Sperrvermerk eingetragen. Der Betroffene hatte im Jahr 2007 auf seine deutsche Fahrerlaubnis verzichtet, nachdem ihm diese entzogen werden sollte.

Gegen die Anbringung des Sperrvermerks sowie die Aberkennung des Rechts von der polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, wurde unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben. Das Verwaltungsgericht lehnte den Prozesskostenhilfeantrag ab, da aufgrund der eindeutigen Rechtsprechung des BayVGH die beabsichtigte Klage keine hinreichen Erfolgsaussichten habe.

Auch wurde der Beschwerde gegen diese ablehnende Entscheidung nicht abgeholfen, sondern dem BayVGH zur Entscheidung vorgelegt. Der VGH gab der Beschwerde statt und bewilligte die Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Klageverfahren.

Zunächst wurde darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Senats inzwischen hinreichend geklärt sei, dass § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV unter Geltung der dritten Führerscheinrichtlinie ohne Einschränkung als europarecht konform eingestuft werden könne und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur 2. Führerscheinrichtlinie auf die 3. Führerscheinrichtlinie nicht anwendbar sei.

Spannend ist die Begründung, die dann letztlich zu einer positiven Entscheidung des VGH und somit zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Klageverfahren führte.

Das Gericht führt aus:

Jedoch wurde zumindest (…) die Frage, ob auch unter Geltung der 3. Führerscheinrichtlinie neben dem Vorliegen einer Führerscheinmaßnahme zusätzlich ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis zu fordern ist, in hierzu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen wiederholt in einem dem Kläger günstigen Sinn beantwortet. So hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (vom 04.12.2009) auch unter Geltung der 3. Führerscheinrichtlinie entschieden, dass der Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellten Führerscheins nur dann ablehnen darf, wenn sich auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststellen lässt, dass die Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war.

Der VGH nimmt ebenfalls Bezug auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 17.02.2010, 10 B 11.351/09.

Abschließend weist der VGH darauf hin, dass es bislang weder durch das Bundesverwaltungsgericht noch durch den Europäischen Gerichtshof geklärt sei, ob die Fahrerlaubnisbehörde unter Geltung der 3. Führerscheinrichtlinie zur Nichtanerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis auch dann berechtigt ist, wenn sich aus dieser bzw. aus anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen nicht ergibt, dass ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis vorliegt. Da in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte unterschiedliche Auffassungen bestehen, kann der beabsichtigten Klage eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe notwendige hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.